Am Rennmorgen war ich nervös, wie seit langem nicht mehr. Nun war endlich der grosse Tag gekommen, auf welchen ich mich das ganze Jahr vorbereitet habe. Ich fühlte mich physisch wie auch psychisch bereit die Herausforderung anzugehen.
Um 7 Uhr 40 fiel der Startschuss für meine Alterskategorie. Ich startete in der ersten Reihe, um dem Gedränge aus dem Weg zu gehen. Wir sprintenten auf den ersten hundert Metern los, als ob das Rennen nicht 9h dauern würde. Ich fand schnell einen guten Rhythmus und eine schnelle Schwimmgruppe, mit welcher ich mitgehen konnte. Da unsere Altersklasse als letztes gestartet war, mussten wir sehr viele Schwimmer überholen. Dabei kassierten wir einige unabsichtliche Ellbogen, Tritte und Schläge von anderen Athlet:innen. Trotz allem versuchte ich relaxed zu schwimmen und die erste Disziplin zu geniessen.
Nach 55min 14sec hatte ich wieder festen Boden unter meinen Füssen. Der Wechsel aufs Rad lief geschmeidig und ich freute mich auf meine Paradedisziplin. Die Stimmung rund um die Wechselzone war gigantisch und so musste ich mich konzentrieren, um nicht zu überpacen. Nach einer kleinen Runde durch Kailua Kona ging es danach auf den Queen K highway Richtung Wendepunkt in Hawi’i. Aufgrund der klimatischen Bedingungen ging ich das Rennen defensiv an. Ich konzentrierte mich auf meine Verpflegung - «trinken, essen, trinke» war dabei mein Mantra. Entgegen meinen Erwartungen fühlte ich mich auch bei Radkilometer 150 immer noch «frisch» und konnte mein Tempo bis in die Wechselzone problemlos durchziehen. Das stimmte mich sehr zuversichtlich für den anschliessenden Marathon. Mit meiner Rad-Zeit von 4h 48min (37.7km/h) arbeitete ich mich von Rang 21 nach dem Schwimmen, auf den 6. Zwischenrang nach vorne!
Bereits auf den ersten Laufkilometern bemerkte ich, dass es noch ein langer Weg bis ins Ziel sein wird. Der Asphalt, welcher von der Sonne aufgeheizt war, glühte und die hohe Luftfeuchtigkeit gaben einem das Gefühl in einem Dampfbad zu laufen. Bei jeder Verpflegungsstation kühlte ich mich mit Eis und nahm reichlich Flüssigkeit ein. Ich lief auf den ersten 20km ein gutes Tempo und kam dem Podest damit immer näher. Doch dann ging alles ziemlich schnell, ich fühlte mich plötzlich von Kilometer zu Kilometer schlechter und sehnte mich nach einem Sprung ins Eisbad, um meine Körpertemperatur zu senken. Meine Schritte wurden schwerer und Athleten, die ich kurz davor überholt hatte, liefen wieder an mir vorbei.
Mit Gehpausen bei den Verpflegungsstationen gönnte ich meinem Körper kurze Pausen und nahm mir auch genügend Zeit zum Trinken und den Körper zu kühlen. Mir wurde klar, dass der Traum von einem Podestplatz nicht mehr in Reichweite lag. Nach einem kurzen mentalen Durchhänger, gelang es mir, mich wieder zu fokussieren. Ich hielt mir mental wieder den ursprünglichen Traum vor Augen – den Ironman Hawai’i zu finishen. Mit der neu getankten Energie lief ich Richtung Ziel und genoss dabei jeden Meter. Beim Zieleinlauf nach 9h 14min überwältigten mich meine Emotionen, die Stimmung war unglaublich – was für ein einmaliges Erlebnis!
Ich war überglücklich, etwas enttäuscht, erschöpft, zufrieden und dankbar es geschafft zu haben. Ein Gefühlscocktail, den ich so noch nie erlebt hatte, machte sich in meinem Körper breit. So lange auf ein grosses Ziel gearbeitet, vieles dem Sport und diesem Traum untergeordnet und jetzt ist alles vorbei, geschafft!
Nach dem grossen Tag, fiel ich in den darauffolgenden Wochen in eine Leere, welche durch eine Covid-Infektion noch verstärkt wurde. Ich startete mit der sportlichen Höchstform meines Lebens, und war nun bereits ausser Atem beim Treppensteigen, und das innert vier Wochen.
Nun fühle ich mich von Tag zu Tag besser und habe wieder mit lockerem Training begonnen. Ich freue mich auf das nächste Kapitel als professioneller Triathlet.
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